Lenggries, Donnerstag, der 18.9.2014, 4:30 morgens.Parkplatz, Werkstatt.
Nach durchschraubter Nacht ertönt das vertraute Klackern der Ratschengurte. Wir sind abfahrtsbereit.
Duschen, Didi und Steffi (unser Service für dieses mal) wecken, Helm und Hose schnappen, los gehts. Salzburg, Linz, Fahrerwechsel, Wien, Kaffeepause.
Budapest, Szeged. Abendessenpause. Der Plan ist, ungefähr bis Dewa oder Sibiu zu kommen, dort in ein Motel und am Freitag den Rest bis zum Schwarzen Meer zu fahren.
Grenzübergang Nagylac.
Grenzer: "Passports please"
Portemonaie raus, Ausweis....
Hias: "..." "..." "ZEFIX!"
Martin: "Sag mir jetzt bitte nicht, dass dein Ausweis noch daheim liegt."
Hias: "Doch, genauaso is. Bleda papierkrieg. grattliga scheißdreck!"
Die Orga der Breslau wollte von allen Dokumenten Kopien haben. (viele Ordner voller Zettelkram sind Grundbedingung für Professionalität) Ausweis, Führerschein, Fahrzeugschein, grüne Karte usw... und dabei sind von mir leider Ausweis und Führerschein daheim liegengeblieben. Ein kurzer Anruf daheim bestätigt dies. Argh. Was tun? Zurückfahren? Dann kommen wir nie rechtzeitig an. Letzter Check-in Freitag, 23 Uhr. Mit der Kopie kommen wir auch nicht weiter, spätestens an der Grenze zu Bulgarien wäre Schluss. Der Chefgrenzer ist zum Glück hilfsbereit und gibt uns die 24h-Hotline der Deutschen Botschaft in Rumänien. Die Dame am anderen Ende ist aufgeschlossen und meint, wenn wir um 8:30 an der Botschaft in Bukarest wären, bekomm ich neue Papiere.
Es ist 22:30. Bukarest ist 900km weit weg. Wir teilen den Tross. Zum einen Patrol mit Anhänger, Suzuki, Steffi und Didi. Zum anderen Saab 900 Turbo mit Martin und Matthias. Wir legen schon mal eine vorgezogene Rallyeetappe durch Transsilvanien hin. Mitten in der Nacht, im Wettstreit mit wahnsinnigen Lkw-Fahrern und unbekannter Strecke und stehen mit zwei Stunden Schlafpause tatsächlich um 8:30 an der Botschaft.
Dort erklärt man mir, das noch am Freitag zu schaffen wäre unmöglich, DHL wäre schneller usw. usf. Nach drei Stunden, Unsicherheit, einigen Telefonaten, Fototermin usw. halte ich dann doch einen neuen Reisepass in den Händen und wir können weiter. Stadtverkehr von Bukarest überwinden, und auf, die letzten 350km warten.
Dort angekommen gibt es zwei Stunden Fahrerbesprechung draußen in eisiger Kälte (von wegen warmer Süden) - und da hab ich auch null Interesse an irgendwelchen Respekts- und Dankesbekundungen in vier Sprachen. Noch was Essen, Erste-Hilfe-Kurs und ab ins Bett.
Albena, Camp. Samstag 7:00Reichhaltiges Frühstück ("Nudln bringan Enagie"), Aufkleber drauf.
Ab zum Vorstart.
Auf dem Weg steigt die Kühlwassertemperatur.
Wir wollten ja noch entlüften, stimmt.
Temperatursensor am Motor raus, hinten nachfüllen, passt. Martin bekommt eine Ladung Dreckwasser ins Gesicht und sieht aus wie ein Kohlehauer.
Weiter nach Varna. Dort finden auf dem Stadtplatz die technische Abnahme und der Showstart statt. Zunächst heißt das vier Stunden rumstehen, mit anderen Teilnehmern plauschen, noch die Stereoanlage im Suzuki einbauen, lustigen Folkloretanz und eine Weihe der Rallye durch orthodoxe Priester erleben.
Ein französischer Teilnehmer lebt vor, was es heißt, ein richtiger Breslaufahrer zu sein und schweißt mitten auf dem Stadtplatz seinen Längslenker mittels vom Service rangekarrten Aggregat. Die Bevölkerung fotografiert eifrig. Eine aufgebrachte Person beschimpft das Startfeld als "fucking wankers" (wie man das zugleich machen soll, ist mir schleierhaft), bleibt aber eine Begründung ob seiner Wut schuldig. Schade, hätte gerne mit ihm diskutiert, aber er ist einfach gegangen.
Nach und nach dürfen auch noch alle Teilnehmer über die Rampe, jeder darf ein paar Worte sagen und dann los.
Als eines der letzten Teams auch wir, ich stöpsle drei Sätze zusammen und anschließend starten wir mit wahnsinniger Geschwindigkeit in den Bewerb.
Wenigstens die ersten paar hundert Meter, dann werden wir wieder eingebremst und es geht ein paar Kilometer auf Straße bis zum richtigen Start.
Schotterfeldweg, ohne große Hindernisse. Neben uns ein schwarzer Schweizer Wrangler. Der hat eindeutig das bessere Leistungsgewicht und zieht uns problemlos davon. Egal.
Feldwege, Schotterpiste, leichte Buckel, geschwungene Kurven - die Geschwindigkeit wird hier nicht vom Fahrwerk, sondern von Motorleistung und Schwerpunktshöhe begrenzt.
Kompasskurs. An einem Bachbett entlang, durchs dichte Unterholz. Hier wünscht man sich dann doch richtige Scheiben und nicht nur Netze. Querung des Bachs, von Trassierband eng eingegrenzt. Martin läuft voraus und sondiert große Felsbrocken. Es staut sich.
Hang hoch und ich kann zum ersten Mal die Vorderachssperre testen.
HALLELUJA! Das Ding zieht vielleicht! In Nullkommanix sind wir ohne viel Gewühle oben.
Nur um dann gleich wieder im Stau zu stehen. Es geht noch weiter bachaufwärts, eng zwischen Felsbrocken und großen Steinen. Ein Side-by-side steckt und wincht sich raus. Zeit, die Passage vorab zu erkunden.
Martin: "Versuche dort die beiden Steine mit je einer Radseite zu erwischen. Dann sollte das komplett fahrbar sein."
Wir kommen dran, ich erwische die Steine und es geht raus - dann rutsch ich doch seitlich ab. Winde, Auto gradeziehen. Nochamal kurz durch einen Graben, ich deute Martins Handzeichen falsch und zack liegt die Karre schräg drin. Ein kleiner Schubs von Martin, noch bevor ich den Motor ausmachen kann und drei Räder haben wieder Bodenkontakt, es geht raus aus der Passage.
Stempel, weiter. Rechts weg, entgegen der Richtung, aus der wir kamen.
Hias: "Is des gwiss? Vo do kemman mia doch her"
War es nicht, also umdrehen und neben einer Schafsherde einen steinigen Hang hoch. Die Strapazen der Anfahrt machen sich eben doch bemerkbar.
Weiter, über Felder, Feldwege und entlang von Windschutzstreifen - mal auf der einen, mal auf der anderen Seite. Mal sinds Stoppelfelder, mal stehen noch Sonnenblumen oder Mais, mal ist schon alles umgepflügt. Uns fehlt es vor allem an einem - Motorleistung. Die wenigen Löcher interessiert unser Fahrwerk kaum, Stellen im Roadbook, die mit ein oder zwei Ausrufezeichen markiert sind (inflationär viele!) werden mit ordentlichem Rumms, aber dennoch sauberem Fahrverhalten an die Insassen gemeldet - also fast immer Vollgas.
Es geht nochmal ins Unterholz, einen ausgetrockneten Bachlauf entlang und wieder hoch auf die Felder. Dort noch einige Kilometer Strecke über Felder und geschwindigkeitsbeschränkt auch durch ein Dorf, Straße überqueren, rein in den Schotterweg, am Kieswerk vorbei, weite Linkskurve auf Geröll voll im Drift über alle vier Radln und wir sind da. Hurra.
20 km Überführung ins Camp, keine nennenswerten Schäden. Ankunftsbier, Trackerbox noch anbringen, kurze Durchsicht, Fahrerbesprechung, Essen, Zelt.