Samstag, 30.06.18. Dretyn
Aufstehen, Frühstücken. Camp abbauen. Heute steht einiges auf dem Programm. Showstart in Miastko, eine Teiletappe in der gleichen Gegend wie gestern, eine zweite auf dem Poligon Czarna, dann die Überführung ins Camp Drawsko und eine Nachtetappe.
Für uns als Teilnehmer geht es erst gegen Mittag los, genug Zeit um mit Anja, Steffi und Max das Camp abzubauen. Unser Service ist dann auch schon weg, während wir noch im Camp stehen und auf den Vorstart warten.
Schlechtes Wetter zieht auf. Es beginnt zu nieseln.
Martin: "Oh je. Und meine Jacke ist im Servicefahrzeug."
Hias: "Mei, des hat ma doch scho an hoibadn Dog lang gseng, dos no a Weda kimmt. Zipfä."
Es schwirren aber doch noch einige Leute im Camp rum, Robert Stückle bzw. sein Kumpel haben noch eine alte Schrauberjacke dabei. Bekommt Martin verpasst. Perfekt.
Irgendwann ist dann die Zeit auch ran. Vorstart im Camp, 1h Zeit für die Überführung zum Showstart. 20km Strecke. Entspannt. Mittlerweile hat der Regen auch wieder aufgehört.
Raus aus dem schon ziemlich verlassenen Camp, ab auf die Straße. Irgendwie lenkt sich das Auto seltsam. Vor allem in engeren Kurven.
Scheiße. Lenkgestänge verbogen?
Wir rätseln eine Weile rum, bis ich den betätigten Schalter für die Vorderachssperre entdecke. Muss gestern beim Schrauben jemand hingekommen sein. Na dann. Halb so wild.
Die Straße nach Miastko ist recht voll. Ein paar Kilometer vor der Stadt gehts nur noch im Stop-and-go-Modus weiter. Der Zeitpuffer für den Showstart schmilzt rapide dahin. Als wir dort ankommen sind wir eigentlich schon eine Viertelstunde zu spät, werden direkt zur Startlinie gewunken und fahren direkt weiter.
Mangels aufgestellter Autos gibts auch fürs Publikum wenig zu sehen und entsprechend wenig Leute sind da. Schade, vor allem bei dem nicht unerheblichen Aufwand, den man dafür getrieben hat. Kann alles versauen, so ein Stau.
Über die Startlinie, kurz angasen und dann wieder in den Verkehr einreihen.
Es geht noch ein paar Kilometer im normalen Verkehr weiter, dann biegen wir ab. Start mit Zeitnahme irgendwo am Straßenrand, in den Wald hinein.
Ähnliches Terrain wie gestern. Enge Waldwege.
Mit 110 km sind es deutlich Kilometer mehr als gestern und das ist nur die erste Teiletappe.
Gestern liefs ja recht gut, das heißt, wir starten relativ weit vorne. Den Platz sollten wir uns auch halten. Klappt auch. Bald sind wir auf die langsamen der CC-Klasse aufgelaufen. Aber bald ist auch Jim Marsden auf uns aufgelaufen. Den lassen wir aber schnell vorbei. Auf Piste ist er doch deutlich flotter als wir.

Es dauert nicht lange und wir hängen in der Staubwolke hinter einem blauen Pajero fest. Keine Möglichkeiten zu überholen wenn er nicht Platz macht. Mist. Eine enge 160-Grad-Rechtskurve. Sehr eng. In einen Hohlweg rein. Der Pajero muss reversieren. Im Roadbook steht "tight". Vorbei kommen wir auch nicht. Müssen auch zurücksetzen. Zweimal. Im Eifer des Gefechts beim ersten Ansatz zu wenig zurückgesetzt. Egal. Der Pajero ist weg, schauen wir, dass wir ihn wieder einholen. Mit Karacho weiter.
Ein Daumen liegt auf der rechten Spalte des Roadbooks. Unter diesem warnen drei Ausrufezeichen vor einer Bodenwelle. Tja.
Ich sehs zu spät, reagiere falsch und bremse voll rein. Es knallt recht heftig, die Vorderachse schlägt voll durch, die Geräuschfolge wird von einem lauten Fauchen abgeschlossen. Ein in der Folge stark instabiles Fahrgefühl reißt mich zu folgender Aussage hin:
"Zefix. I glab mir hom furn an Plattn. I hoit a moi o, wanns basst."
Martin: "Du hast auch völlig falsch reagiert und in die Welle reingebremst. Hast du das Fahren denn völlig verlernt?"
Hias: "Jo is de wein neda im roadbook gschdanna?"
Martin: "Da stand nur 'Narrow!' "
Unabhängige Untersuchungen ergaben übrigens, dass drei Ausrufezeichen im Roadbook schmäler sind als der Daumen meines Beifahrers.
Egal. Das geschah später. Wir rollen zunächst an einer kleinen Lichtung rechts ran und machen uns an den Reifenwechsel. Die Felge links vorne hat es durch den Einschlag stark verbogen, dass da die Luft entweicht wundert nicht.
Der Reifen ist schnell getauscht. In der Zwischenzeit rauscht derweil gefühlt das halbe Feld unserer Klasse an uns vorbei.
Das bedeutet Aufholjagd.
Wagenheber verstauen und weiter.
Es geht wieder durch die engen Wälder. Kompasskurse und schwierig zu interpretierende Kreuzungen ärgern uns ein wenig, lassen uns die ein oder andere unnötige Schleife drehen. Keine dramatischen Herausforderungen. Auch ein paar kleine Sumpfhindernisse können uns nicht sehr lange aufhalten. Aber richtig rund und flott läufts seit dem Platten nicht mehr. Immer wieder mal verfransen wir uns kurz, der Fahrstil ist auch nicht ganz so flüssig.
Und Aufholen - tja, das können wir uns so irgendwie gerade auch abschminken.
10km vor Schluss der ersten Teiletappe. Waldweg entlang einer Stromleitungstrasse. Es geht bergauf, zweiter Gang.
Ein schlagendes regelmäßiges Geräusch. Antriebsstrang.
Rechts ran. Wir stehen, Geräusch ist weg. Kurz anfahren, auskuppeln, ausrollen. Es schlägt bei Fahrt. Geschwindigkeitsabhängige Frequenz. Egal ob eingekuppelt oder nicht. Egal obs Verteilergetriebe auf High oder Low steht.
Wir diagnostizieren daraus einen Schaden im Schaltgetriebe.
Hias: "dofür gibts an Plan. Dös hams bei Suzuki nämlich a so gmocht, dass da vierte Gang direkt durchtreibt. wann mir dusel ham, hebt des noch so lang bis zum ziel. Wahrscheinlich is de Vorgelegewelln hi."
Martin: "Vierter Gang Untersetzer solle uns ja doch recht weit bringen."
So versuchen wir es. Untersetzung eingelegt, vorsichtig angefahren. Im zweiten Gang kracht es fürchterlich, also schnell in den dritten und vierten. Es schlägt trotzdem permanent und so geht es entsprechend vorsichtig weiter. So sind wir natürlich nicht mehr schnell. Aber hei, wir haben noch realistische Chancen anzukommen. Da ists auch egal, noch überholt zu werden.
Kurz vor Schluss nochmal eine kleine Sumpfquerung. Viele Konkurrenten sind schon da und kämpfen.
Martin erspäht eine Spur, ich manövriere vorsichtig im kleinsten Gang hin (mit vielen lauten Geräuschen begleitet), wir installieren das Windenseil, ziehen das Auto getriebeschonend durch und sind entsprechend schnell wieder auf Strecke.

Noch dreimal um die Kurve und wir sind im Ziel. Hurra. Das erste von heute insgesamt dreien.
Kurze Lagebesprechung.
Martin: "Was meinst du, wie lange brauchen wir zum Getriebetausch?"
Hias: "des oide ist noch ned 100% hergricht, nei eidichten miassmas aa, schätzt a moi 3 stund leicht."
Martin: "Okay. Die nächste Teiletappe sind 70km. Und zwar im Czarne Poligon. Das war der Zick-Zack-Kurs, den wir 2016 auch schon gefahren sind. Das war ja die reinste Staubhölle."
Hias: "Wann uns des Getriebe in der Etappn vollständig verreckt, dann werdn mir des mit Bergung und Überführung ins Camp ned bis zur Nachtetappn schaffn wieder zum startn."
Aufgrund dieser stichhaltigen Argumente beschließen wir, die zweite Teiletappe sausen zu lassen und auf Straße ins nächste Camp zu fahren, in der Hoffnung, dass das Getriebe durchhält und wir dann relativ entspannt das Getriebe wechseln können. Irgendwie langweilig. Aber der Getriebeausfall erschien aufgrund der Geräuschkulisse sehr wahrscheinlich. Und die Nachtetappe reizt uns deutlich mehr als Csarne.
Also wird kurz unser Service angerufen, dass wir gleich ins Camp fahren und sich alle für eine Serviceaktion bereithalten sollen.
Ab nach Drawsko.
Mist. Unsere Taktik, die erste Etappe der Breslau 500 mitzunehmen als Probefahrt, die im Zweifelsfall nicht auf die Gesamtwertung schlägt ist nicht aufgegangen.
Straßenfahrt im Straßengang, möglichst alles im vierten Gang. Dank Renault-Traktor-Motor gehen im vierten sogar Kreisverkehre.
Über 100km bis Drawsko. Hoffentlich hälts. Wenigstens ist recht wenig Verkehr, das macht wenig Anfahrmanöver erforderlich.
Eineinhalb Stunden später sind wir da. Anja, Max und Stephi haben uns ein schönes Plätzchen gesucht, sind sichtlich von der Geräuschkulisse beeindruckt, welches das Getriebe von sich gibt.
Ab untern Pavillion, Getriebe raus und wenigstens den Deckel auf.
Eindeutiger Zahnausfall.

Allerdings an den Gangrädern vom zweiten Gang. Der hat auch deutlich am lautesten gescheppert. Mit 1,3,4,5 wäre die zweite Teiletappe auch möglich gewesen. Aber man steckt eben nicht drin. Taktiert und falsch geschätzt, bei der Diagnose nicht genau hingesehen...
Wir kämpfen recht lange mit dem Ersatzgetriebe. Ein Entlüftungsanschluss fehlt und das Nachsetzen ist garnicht so einfach. Der hintere Deckel vom anderen Getriebe passt auch nicht, die haben unterschiedliche Längen. Alte Dichtmasse abribbeln und alles wieder ordentlich einsetzen braucht so seine Zeit, irgendwie sind wir aber auch recht unkoordiniert unterwegs. Eine nicht gefahrene Etappe nervt und sorgt auch nicht für die beste Stimmung.


Irgendwann haben wir aber alles zusammen. Da ists aber auch schon Dunkel, es gibt nur eine kurze Probefahrt ob das Auto kuppelt und schaltet. Kleinigkeit essen, zwei Stunden dösen und dann gehts kurz nach eins auch los.
Wir haben ja heuer an der Lichttechnik aufgerüstet und uns einen Satz LED-Hauptscheinwerfer gegönnt. Die werden bei dieser Gelegenheit getestet.
Schon die Fahrt auf Straße zum Vorstart lässt lichttechnisch viel hoffen. Rein in den Truppenübungsplatz Drawsko und dort ab in die Etappe. Kurz ist diese gehalten, nur gut 40km.
Doppelstart, und der hats in sich. Der ganze Platz ist ziemlich trocken und entsprechend staubig. Jörg und Peter starten neben uns, ziehen dank etwas mehr Hubraum auch recht schnell vor - und wir hängen im Staub hinterher. Sichtweite zum Teil nur wenige Meter, immer wieder stehen dicke Wolken auf der Strecke, durch die wir uns lieber nur vorsichtig tasten. Hier helfen auch die besten Lampen nichts.
Die Navigation ist - durch die Nacht bedingt - eh schon sehr anspruchsvoll, der Staub machts
nicht weniger schwer. Bei vielen Abzweigungen überwiegt eher die Hoffnung, dass der Weg da war und man noch im Roadbook ist - so jedenfalls mein Eindruck vom Fahrersitz aus.
Die ersten 15km sind also ein einsamer Ritt über staubige und dunkle Pisten, nur die gelegentlichen Staubwolken verraten, dass vielleicht jemand anderes hier entlang gefahren ist.
Ein Kat von der Bergung steht am Wegesrand, an einer Vielfachkreuzung. Diese ist noch exakt im Roadbook. Der nächste Abzweig passt so einigermaßen. Aber der dritte? Da ist weit und breit nix. Hundert Meter zu weit ist was einigermaßen passendes. Aber irgendwie auch nicht wirklich. Einige andere Teilnehmer irren hier auch rum. Hm. Passts Roadbook nicht, oder ist es nur eine knifflige Stelle? Wir versuchen alle möglichen Varianten. Aber es wird nix draus.
Mist. Zurück zum letzten wirklich eindeutigen Roadbookbild. Das war die Kreuzung an der der Kat stand. Diese noch mal genau ansehen. Hm. Laut Roadbook mehr oder weniger gradeaus drüber. Real leicht links.
Passt aber eigentlich doch ganz gut?
Ähm. Der Kat steht leider sehr geschickt an der Kreuzung und verdeckt einen Abzweig. Nachts, bei flotter Fahrt schnell übersehen. Merde. Okay. Da passt das Roadbookbild noch besser. Und die darauffolgenden auch - hurra, wir sind wieder auf Strecke.

Eine der typischen Drawsko-Wasserdurchfahrten. Im Dunklen schwerer einzuschätzen, aber auch nicht die tiefste. Zweiter Gang, Untersetzer, alle Sperren und durch. Geht problemlos und relativ elegant. Drüben Stempel holen, Scheibe abziehen und weiter im Roadbook.
Das Feld verdichtet sich. Wir fahren zum Teil richtiggehend in Kolonne mit anderen Teilnehmern. Immer wieder zweigt auch mal wieder einer an einer Kreuzung falsch ab. Wir zuckeln gemütlich durch, lassen uns auch vom einsetzenden Regen nicht schrecken. Im Gegenteil, der bindet wenigstens den Staub ein wenig. Das einzige, was jetzt noch die Sicht einschränkt sind die ultragrellen Staublichter mancher anderer Fahrzeuge, deren Blaulicht schon tagsüber blendet. Nachts ein absolutes Unding.
Irgendwann erreichen wir in Kolonne das Ziel. Kurz vor Etappenende gab es noch einige Irrfahrer, das Roadbook stimmt aber. Fertig für heute. 3 Uhr früh.
