Albena, 26.09.2014Es geht zu ohne Ende an der Waschanlage. Also machen wir in der Warteschlange schonmal Service. Fahrwerksschrauben nachziehen, Windenseilauge neu einspleißen, GPS kleben, Ölstand nachsehen usw.
Und dann los in die siebte Etappe. "Nur" 60 km, aber laut Roadbook mit einigen Schwierigkeiten gespickt.
Anfangs ein langer Kompasskurs. Querfeldein über eine weite Fläche zu einem Schutthaufen. Am Hügel die nächste Projektion zwei Kilometer weiter und von dort aus wieder mehrere Kilometer weiter. Das Ziel ein Weg, in Realität nur eine unscheinbare Spur mitten auf einer weiten Ebene. Viele irren rum, die Startreihenfolge wird wild durcheinandergewirbelt.
Auf dem Pfad gehts weiter und bald über in Teerstraße. Wenige Kilometer weiter in einem Dorf gehts links ab. Jede Menge Presse- und Servicefahrzeuge, am Rande eines als Dorfmüllkippe genutzten Baches.
Das Roadbook schickt uns im Zickzack mehrmals hintereinander durch den Bach - erhöhter Schwierigkeitsgrad durch unebenes Gelände. Martin läuft voraus und sucht eine gute Spur. Alles schön fahrbar.



Die schwierige, enge Passage scheint überwunden, ohne Windeneinsatz. Hurra. Martin steigt wieder ein.

Hias: " Wo gehts etzad weida? i sich kaum spurn."
Martin deutet auf eine 'Breslau'-Fahne, die neben dem Bachlauf steht, daneben ein Stück Trassierband an den Baum gebunden: "Dort müssen wir wohl nochmal durch den Bach."
Wir fahren drauf zu. Der Bach sieht unscheinbar und schmal aus. Also mit mäßigem Tempo rein.

Platsch macht es und die Vorderachse ist einen Meter tiefer.
"Steiles Ufer", denke ich mir noch, aber raus gehts leider nicht mehr. Das Gegenufer ist ebenfalls fast senkrecht, der Abstand dazwischen entspricht genau der Suzukilänge.
Die Wassertiefe reicht mir bis zum Kinn.
Die Wassertemperatur ist aber eigentlich noch fieser und löst Schnappatmung aus.
Martin klettern aus den Auto und schnappt sich das Windenseil.
Ich muss eigentlich nur Seil ausspulen und aufpassen, dass die Sitzpolster und das Roadbook nicht davonschwimmen.


Natürlich sucht sich Martin in seinem Perfektionismus einen Baum als Anschlagpunkt aus, der zwar in idealer Richtung steht, aber auch ewig weit weg ist. Das erschwert die Koordination und dauert vor allem.
Ganz sauber läuft der Motor unter Wasser nämlich nicht. Der Gegendruck am unter Wasser liegenden Auspuff, eine nicht 100% dichte Zündspule, plötzliche Abkühlung des Öls und damit kalter Motor sorgen dafür, dass ich immer mehr Gas geben muss, damit der Motor nicht abstirbt. Als das Seil endlich am Baum hängt, bin ich bei Vollgas und 3000 Umdrehungen im Leerlauf angekommen.

Zug mit der Winde würgt den Motor dann in Nullkommanichts ab.
Schiet!
Orgeln geht zwar, aber Zündungen sind keine mehr zu vernehmen.
Das wars, wir müssen uns von jemand anderem bergen lassen.
Erstmal raus aus dem kalten Wasser, GPS und Roadbook mitnehmen und dann mal lieb bitte sagen.
Zum Glück sind noch andere Teilnehmer am Wühlen. Pierre zieht uns dann auch nach hinten raus - wenn auch mit ordentlichen Mühen. Ist eine steile Stufe.



Draußen. Erster Blick geht in den Luftfilterkasten. Der steht voller Wasser.
Undicht, wollen mir einige der umstehenden Anwesenden erklären.
Tatsächlich ist aber Wasser durch den Auspuff nach oben gedrückt worden. Der Motor hat recht viel Ventilüberschneidung, die Wahrscheinlichkeit ist groß, das er mit gleichzeitig geöffnetem Ein- und Auslass stehen geblieben ist.
Zündkerzen raus - und ja, da ist ordentlich Wasser in zwei Brennräumen.
Betätigen des Anlassers erzeugt eine schöne Kaskade aus vier Wasserfontänen. Bis der Ansaugkrümmer leer ist, geht das Schauspiel auch eine Weile.
Kerzen und Spulen trockenpusten und rein damit.
Martin: "Ich denke, wir können es wagen, einen Startversuch zu unternehmen. Hias, schmeiß an Karrn o!"
Und drei Sekunden später läuft die Maschine wieder. Es dampft ordentlich und Martin und ich springen uswie zwei Rumpelstilzchen vor Freude herum.
Aber wir sind hier ja im knallharten Motorsport, da bleibt nicht lange Zeit für Emotionen. Also Bestandsaufnahme.
Fahren können wir. Das Roadbook ist klatschnass, aber lesbar. Tripmaster und GPS sind beide reichlich funktionsbefreit.
Martin: "Funktioniert eigentlich der Tageskilometerzähler? Dieser müsste für grobe Schätzungen auch reichen."
Hias: "Genga duada scho, owa as Glasl is so beschlagb, dos i nix sich. Wann mia de dasoachte Plexiglasscheim aussehaun, miassads wieda gehn."
Gesagt, getan. Tachoeinheit raus, Scheibe weg. Kann eigentlich weitergehen. Also Motor an, Instrumentencheck - dabei fällt der stark überhöhte Schmieröldruck am Pumpengetriebe auf.
Hias: "Da basst wos ned. Wemma a so fahrn, wixts uns de Dichtunga raus wia nix."
Martin: "Du hast recht. Am Füllstandsrohr ist auch hoher Wassergehalt zu erkennen."
Also gibt es noch frisches Öl - der Wechsel zieht sich, da erst noch die Entlüftungsleitung entschleimt werden muss - und dann, endlich gehts weiter. Mittlerweile sind wir wohl auch die letzten, der Schauplatz verlassen. Nur wir und ein CP.
Also an flacher Stelle durch den Bach und weiter.
Ein paar Kilometer Feldweg, die Tageskilometernavigation klappt auch. Nur der Motor zieht nicht ganz sauber, Wasser in der Zündung, und die Kupplung rutscht beim Einkuppeln etwas, gibt sich aber nach ein paar Sekunden.
Es biegt ab, in ein Tal hinein. Zunächst noch normal gepflegter Weg, geht dieser bald in eine reichlich verwucherte Spur über und folgt direkt dem Lauf des ausgetrockneten Bachs, nicht ohne diesen mehrfach zu queren.
Ausgefallene Heizung, schlechte Sicht, Zündprobleme, rutschende Kupplung, nur lange Übersetzung- so ist das Vorankommen eher eine Quälerei.
Es geht wieder raus aus dem steinigen Bachbett, links eine Böschung rauf, rund 1,20m hoch. Um im 90°-Winkel die Böschung raufzufahren ist das Bachbett zu schmal und der Wendekreis vom Auto zu groß. Normal kein Problem. Schräg anfahren und dann schwenkt das Auto ums linke, unten anstehende Vorderrad, bis die Vorderachse komplett unten ansteht. Hier ist der Grip im Bachbett aber ungewohnt gut - die Hinterachse schiebt in Fahrtrichtung weiter, zack, bumm, Seitenlage, auf der Beifahrerseite.
Zum Glück mal nicht ins Wasser.
Dafür mitten im Wald, kein anderer Teilnehmer mehr hinter uns, und wirklich sauber um 90° gekippt.
Zu zweit am Käfig angehoben. Keine Chance. Einfach zu schwer.
Martin: "Wir suchen uns im Wald einen dünnen Baumstamm, binden den an den Käfig und können so, dank des verlängerten Hebelarmes circa das doppelte Aufstellmoment erreichen. Das könnte funktionieren."
Hias: "Du woast scho, dos mia nedamoi a Hack dabei ham? Wiaso eigantlich?"
Mit vereinten Kräften (die aufgrund der heute vorangegangen Ereignisse schon ein wenig dezimiert sind) brechen wir einen umgefallenen Baum auf Maß und applizieren diesen mit Ratschengurten am Käfig.
Damit bekommen wir das Auto unter maximaler Anstregung sogar einige Zentimeter weit gehoben und können mit einer Astgabel abstützen.
äder
Hias: "Ja super. Und etzad? Des werma nia dahem!"
Martin: "Der Wagen ist in der Tat sehr schwer. Mit dieser Vorgehensweise werden wir wohl kaum Erfolg haben. Ich habe aber auch keine bessere Idee. Lass uns kurz sammeln und dann versuchen wir es noch einmal."
Hias: "Oida! Wann mia de Ratschngurt vom Reserveradl nehman? Da homma zwoa, da kemma wechselseitig ziagn. Do an den Baam und mim Bergegurt valängat!"
Der Plan ist gefasst. Die vorhandenen Raschengurte sind zwar nicht die größten, aber was anderes ist nicht da. Mit Schäkeln und Gurten verlängert ist die Zugvorrichtung schnell aufgebaut und ich kannt Zug geben. Martin unterstützt mit dem langen Hebel und einiges Gewürge später steht der Wagen wieder auf allen vier Rädern.
Hurra!
Kurzer Ölcheck, Motor einmal durchgedreht, alles wieder eingepackt.
Ich sehe mal nach, ob Wasser in der Kupplungsglocke ist, die Kupplung rutscht doch etwas arg.
Stöpsel unten aufgeschraubt, zwei Schnapsgläser Gemisch aus Kupplungsabrieb und Motoröl kommen mir entgegen.
Merde! Den Kurbelwellensimmering sollte man nicht vernachlässigen.
Hilft aber nix, wir stecken noch mitten in der Etappe, also weiter.
Oh. Die verkackte Böschung noch rauf. Nochmal ein Versuch. Das Konglomerat aus Erschöpfung, rutschender Kupplung und völliger Verplantheit führt zum erneuten Umfallen. An der gleichen Stelle.
NEIN!
Dieses mal aber nicht so weit, wir können den Wagen drurch Anpacken zu zweit wieder aufstellen.
Der dritte Versuch mit Seilwinde ist unspektakulär, aber letztlich sind wir oben.
Weiter. Bald sind wir wieder aus dem Bachlauf heraus und auf Rückewegen geht es weiter. Durch den Regen ist alles extrem schmierig, Lenk- und Bremsbetätigung nimmt das Auto nur noch als Empfehlung wahr.
Es geht wieder runter, nochmal durch einen Bach. Drüben ein CP. Zur Kupplungsschonung bewältigen wir dieses Hindernis komplett mit der Winde.
Stempel geholt und weiter gehts.
Berg rauf und wieder recht schmierig durch den Wald. Ein langer, steiler, schlammiger Anstieg. Erster Gang und ordentlich Gas. Dennoch werden wir immer langsamer, Rauchwolken steigen auf, irgendwann dreht nur noch der Motor.
Hias: "I glab itz worses mid da Kupplung."
Martin: "Das ist eher unvorteilhaft. Lass uns noch mit der Winde raufziehen, bis wir wieder auf einem ordentlichen Weg sind. Reparieren können wir das eh nicht auf der Strecke, aber die Bergung läuft dann einfacher."
So wirds dann auch gemacht. Der nächste nennenswerte Weg ist aber noch fast einen Kilometer entfernt, und so winchen wir nach Roadbook weiter.
Das Wasser im Pumpengetriebe sorgt für unerklärlichen Überdruck, Öl läuft unterm Wagendach aus der Entlüftung aufs Plastiklenkrad. Dieses rutscht mir entsprechend durch die Finger, erschwerte Bedingungen.
Schließlich sind wir oben, auf einer kleinen Lichtung.
Kupplung abgeraucht.
Auto bis Unterkante Fahrerkinn getaucht.
Alles klatschnass.
Außentemperatur ca. 10°C, Regen.
Zweimal umgeworfen.
Das reicht
für heute und lässt sich auch nimmer beheben.
Wir brechen die Etappe ab.
Bergung anrufen... äh GPS-Koordinaten? Wie denn, ist ja abgesoffen. Roadbookbildchen muss als Positionsangabe reichen.
In der Rennkontrollzentrale scheint man schwer beschäftigt, bevor ich sagen kann, wo wir stehen, oder welche Startnummer wir sind, kommt ein unwirsches "ihr werdet schon abgeholt... tut tut tut"
Sind wohl nicht alleine mit unserem Ausfall, aber nach dem Anruf kommt sicher keiner.
Didi angerufen und instruiert, er soll da mal vorbeigehen.
Das kann dauern. Wir holen Holz aus dem Wald, ein Schluck aus dem Benzinkanister und ein zum Glück noch funktionsfähiges Feuerzeug sorgen für Beschäftigung und Wärme.
Martin: "Warum haben wir unser Notfallbier nicht eingepackt? Das würde jetzt gut tun."
Gut eine Stunde später kommt einer von der Orga. Mit einem Vitara. Bleibt zu hoffen, dass der Weg nicht zu steil wird.
Wir werden angehängt, der Weg wird steil und schlammig. Grade so schafft es der Vitara, uns hochzuzerren.
Es geht zwei-drei Kilometer, dann Lichter, ein Dorf. Hier werden wir abgehängt.
Leider wissen wir nicht, wo wir sind. Und mit dem Abschlepper können wir uns nicht verständigen.
Das ist nicht sehr konsequent. Die Fahrerbesprechungen durch vier Wiederholungen in vier Sprachen unnötig in die Länge ziehen, um der Veranstaltung den Anstrich von Internationalität zu geben, aber dann wird jemand allein rausgeschickt, der nicht mal einen Brocken Englisch kann.
Über den Onlinetracker klappts dann dann, im Rennkontrollzentrum bekommt Didi unsere Position und macht sich auf den Weg.
Derweil stehen wir mit laufendem Motor auf einem Dorfplatz im Nirgendwo. Das Heizungsgebläse läuft nur noch mit viel Geschepper und wenig Luftdurchsatz, der Wind pfeift quer durchs Führerhaus, es regnet, es ist dunkel, es ist kalt, alles ist nach wie vor klatschnass. Ich glaube, das war dann der Punkt, an dem die Motivation ganz flöten ging.
Hias: "Moign fahrma nimma. mir san brutalst im oarsch, und de hoibe nacht den karrn repariern, des dapack i ned."
Martin: "Wenn es wenigstens etwas zu essen gäbe. Ich hab schon Magenkrämpfe."
Nach Stunden des Ausharrens haben uns Didi und Stephie gefunden. Aufladen und ab Richtung Camp.

Aber mit schon wieder leer durchgehendem Kupplungspedal am Patrol. So werden die nächtlichen 60km Überführung mit Hänger und durch bergige Serpentinenstraßen ins Camp zurück zu einer besonders spaßigen Tour.
Es ist fast elf Uhr, als wir dort eintreffen.
Ab zum Rennleitstand, Bordkarte abgeben, Rennen beenden. Schade.